,Es dürfte niemanden geben, selbst unter hartgesottenen Materialisten und Atheisten, der nicht schon einmal den Ausruf getan hat: „Ich habe es geahnt!“ Dabei geht es jeweils um das bekannte Phänomen, ein Ereignis als Gedanken, als Gefühl, als Traum oder eben als Vorahnung bereits im Voraus gewusst zu haben. Es wird in der Gegenwart etwas ’gewusst‘, was sich erst in der Zukunft ereignen wird.Kein anderes Geschehen, das noch dazu außerordentlich weit verbreitet ist und in allen Kulturkreisen auftritt, erschüttert das materialistische Weltbild nachhaltiger als das „Phänomen Vorahnung“.Der bekannte amerikanische Arzt Larry Dossey geht diesem Phänomen auf zweierlei Weise nach: Einerseits sammelt er die schier unfassbarsten Fallbeispiele; andererseits studiert er alle denkbaren Erklärungsmöglichkeiten und wissenschaftlichen Theorien dazu. So erschließt sich ein umfassenderes Verständnis von Zeit und Raum, von Freiheit und Schicksal.
Dr. Larry Dossey ist einer der wichtigsten Vertreter einer neuen Medizin, der geistige Gesetzmäßigkeiten in das Heilungsgeschehen integriert.
Schicksal oder freier Wille?
Ich hatte viele Gespräche mit Menschen, die im Hinblick auf Zukunftswissen zwiespältig sind. Wenn Vorahnungen real sind, wenden sie ein, dann ist die Zukunft doch festgelegt und unveränderlich. Vorahnungen machen Eigenverantwortung zur Farce, lassen Entscheidungsfindungen sinnlos erscheinen und machen uns alle zu Marionetten. Vorahnungen, resümieren sie, sind mit freiem Willen absolut unvereinbar.Meine Freundin Tessa ist eine Romanschriftstellerin, deren weitreichende Vorstellungskraft und literarische Fertigkeiten ich sehr bewundere. „Ich kann die Möglichkeit nicht akzeptieren, dass Vorahnungen wahr sein können", teilte sie mir kürzlich mit. Obwohl Tessa selbst mehrere präkognitive Träume erlebt hat, tut sie diese als bedeutungslose Zufälle ab. „Wenn diese Träume wirklich Vorahnungen wären", behauptet sie, „dann bedeutet dies, dass die Zukunft festgelegt ist und es nichts gibt, was ich daran ändern kann. Meine Erfahrung sagt mir, dass ich einen freien Willen besitze und jede Entscheidung und Wahl, die ich jetzt treffe, beeinflussen kann, was später geschieht. Wäre dies nicht so, könnte keiner für irgendetwas verantwortlich sein, und das zivilisierte Leben würde den Bach hinuntergehen."„Aber was ist mit den Experimenten", fragte ich, „in welchen der menschliche Körper zukünftige Ereignisse registriert, bevor sie geschehen? Und mit den präkognitiven Fernwahrnehmungs-Experimenten, in denen Menschen zukünftige Geschehnisse Stunden, Tage oder Wochen im Voraus aufnehmen?" Wir hatten in früheren Gesprächen über diese Studien diskutiert. Tessa warf mir einen verzweifelt-finsteren Blick zu. „Es ist mir gleichgültig, was sie zeigen", erklärte sie gereizt. „Ich kann den freien Willen nicht aufgeben. Er ist für mich wichtiger als Deine verflixten Experimente!"Ich hatte einen Nerv getroffen, und unser Gespräch war beendet. Tessa hatte ihren Zauberstab geschwenkt und – puff! – Hunderte von Experimenten, Jahrzehnte von sorgfältiger wissenschaftlicher Arbeit und die Erfahrungen von unzähligen Menschen vom Tisch gewischt.Für andere Menschen ist diese Debatte ein Sturm im Wasserglas. Wie, fragen sie, könnte jemand glauben. dass Vorahnungen den freien Willen auslöschen würden'? Jeder hat schon von Fällen gehört. in denen Leute einen Blick in die Zukunft werfen konnten und handelten, um diese zu verändern – wie Amanda, die ihr Kleinkind aus dem Bettchen nahm, bevor der Lüster herunterkrachte. Diese Fälle vermögen Skeptiker jedoch nicht zu überzeugen. Wenn jemand handelt, um die Zukunft zu verändern, so beharren sie, dann war es nicht wirklich die Zukunft, denn sie ist ja nie eingetreten.Viele Gelehrte stimmen mit Tessa überein, zum Beispiel auch mein Freund David Ray Griffin, Professor der Religionsphilosophie und Theologie an der Theologischen Hochschule in Claremont und der Claremont Graduate School in Kalifornien. Griffin war ein energischer Gegner der Präkognition. Ein Grund, warum er sie ablehnte, lag darin, dass sie unsere Annahmen über die menschliche Freiheit verletzt. Wenn wir die Zukunft wissen können, sei dies ein Hinweis dafür, dass sie bereits vorhanden ist; in diesem Falle sei die Zukunft vorherbestimmt. Dies würde die persönliche Freiheit des Willens zunichte machen, eine unserer „knallharten vernünftigen Vorstellungen", die es nach Griffins Glauben von Herzen zu verteidigen gelte.Eine Möglichkeit, das Problem zu umgehen, besteht darin, Präkognition nicht als das Wissen von einer festgelegten Zukunft zu betrachten, sondern als eine Vision von einer wahrscheinlichen Zukunft. Wenn wir die Zukunft als ein Spektrum von Möglichkeiten betrachten, vermeiden wir den Determinismus und behalten unsere Freiheit, potenzielle Ergebnisse zu beeinflussen und zu verändern.Eine andere Möglichkeit, das Problem des freien Willens bei Vorahnungen zu umgehen, ist die Erklärung durch Psychokinese („Geist über Materie"). Wenn einem Traum ein Ereignis folgt, das dem Traum sehr ähnlich ist – so Griffin –, müssen wir ja nicht annehmen, dass das Ereignis den Traum verursacht hatte – was der häufigsten Deutung einer Vorahnung entspräche. Es sei „natürlicher", anzunehmen, dass der Traum das Ereignis herbeigeführt hat. Dies würde bedeuten, dass bei dem Unglück von Aberfan all jene Träume von einem „Lawinenabgang" den entscheidenden Anstoß gegeben hätten, der die instabile, unsichere Abraumhalde dazu brachte, den Hang hinab und auf das Schulgebäude zu rutschen, und dass die präkognitiven Träume vom 11. September die Verkettung von Ereignissen erst verursachten, die zu jenen tragischen Ereignissen führten. Es erübrigt sich tu sagen, dass viele Menschen diese Deutung unglaublich abstoßend fänden. Doch zu seiner Verteidigung sei gesagt, dass Griffin mit seiner Sicht nicht allein ist; der Philosoph Stephen Braude hat eine ähnliche Position bezogen. Und obwohl Griffin diese Gedankengänge und Argumente für vernünftig hält, bevorzugt er für Vorahnungen andere Erk lärungenJemand, der von einem Flugzeugabsturz träumt und seine Buchung vor dem Unglück stornieren lässt, wird sich niemals davon überzeugen lassen, dass es unmöglich sei, seine Zukunft zu verändern. Amanda wird immer entschlossen dazu stehen, dass ihr Entschluss, das Kind aus dem Bettchen zu holen, bevor der Lüster herabstürzte, Ausdruck ihres freien Willens war. Diese Personen und Tausende andere wie sie betrachten die Argumente zum Thema „Vorahnungen und freier Wille" mit Belustigung und Langeweile. Ihre Erfahrung sagt ihnen, dass Vorahnungen nicht der Feind des freien Willens sind, sondern dessen FreundLeider sind noch keine Bewertungen vorhanden. Seien Sie der Erste, der das Produkt bewertet.
Sie müssen angemeldet sein um eine Bewertung abgeben zu können. Anmelden