Was Befürwortern wie Kritikern der Astrologie meist fehlt, ist eine fundierte Kenntnis der Symbolik und Geschichte der Astrologie, die reich ist an fesselnden Episoden und faszinierenden Gestalten.Peter Berlings umfassende Darstellung des astrologischen Denkens führt von den Kulturen der Antike bis in die Gegenwart. Die Tierkreiszeichen und ihre Planetengötter werden systematisch erklärt und auch der Missbrauch astrologischer Vorstellungen wird behandelt. Sachkundig, erzählerisch brillant und üppig illustriert.
Peter Berling (1934) studierte Grafik an der Münchner Kunstakademie und machte sich als Produzent von Filmen Alexander Kluges und Rainer Werner Fassbenders. Als Schauspieler war er in Werner Herzogs Filmen an der Seite von Klaus Kinski zu sehen oder in Der Name der Rose. Als Schriftsteller veröffentlichte er einige sehr erfolgreiche hsitorische Romane wie Der Schwarze Kelch oder Die Ketzerin. Selbst kein Anhänger der Astrologie, beschäftigt sich aber als Historiker seit vielen Jahren mit dem Thema.
CONIUNCTIO SATURNALIS
Das zunehmende Delirium der braunen Machthaber und ihrer schwarzen Schergen bekam der Astrologe Goerner zu spüren, der im KZ Oranienburg tagelang verhört wurde. Die harsche Befragung drehte sich um die Sprachgeist-Theorien Kraffts, dessen >arkane etymologische< Spekulationen kein akademisch gebildeter Philologe nachzuvollziehen in der Lage war. Erst recht mussten die unbedarften Beamten die Spinnerei für ein raffiniert getarntes Chiffre-System halten und Krafft für einen Spion. In einer Gefängniszelle am Alexanderplatz sahen sie sich wieder, in Gesellschaft eines gebrochenen Verweyen (der Professor kam 1945 in Bergen-Belsen um). Krafft wurde unter Druck gesetzt. Seine Lage habe er sich selbst zuzuschreiben: Es sei absolut nicht glaubwürdig, dass ein Schweizer Staatsbürger von der wirtschaftlichen Sicherheit eines neutralen Landes Abschied nehme, um sich unter Kriegsbedingungen mit einem relativ bescheidenen Lebensstandard zu begnügen – ergo handele Krafft auf Weisung fremder Mächte.Doch von seinem kosmischen Symbolik-Anliegen, dessen Verwirklichung er sich in Deutschland vorgestellt hatte, mochte Krafft auch nicht mehr reden. Er war bitter enttäuscht. Die Gestapo gab sich nicht die Mühe, ihre Bedingungen für sein nacktes Überleben irgendwie zu verbrämen: Krafft habe – zusammen mit Goerner – von nun an als Häftling die Arbeiten auszuführen, die man ihm zuteilen werde. Die beiden wurden in eine bewachte Baracke des Propagandaministeriums verlegt und mussten in harter Fron Material der Abteilung für psychologische Kriegsführung bearbeiten: Handschriftenproben, Fotografien, Geburts- und Familiendaten von russischen Generälen, alliierten Staatsmännern und neutralen Diplomaten, Prinzessinnen und Kardinälen. Ihnen oblag es, deren Horoskope zu erstellen und nicht nur im Sinne ihrer Auftraggeber zu deuten, sondern auch auf die Schwächen und wunden Punkte hinzuweisen.Goebbels war von der Leistung seiner »Okkultisten« sehr angetan, ohne jedoch ihre Situation im Geringsten zu erleichtern. Krafft tat das von sich aus, indem er testete, wie viel hanebüchenen Unsinn er seinen Quälgeistern zumuten konnte. Er erfand die Unterwanderung des Okzidents und der Wall Street im Besonderen durch Freimaurer gleich noch einmal oder zitierte frei aus den »Protokollen der Weisen von Zion« über die jüdische Weltverschwörung, die nun auch Amerika seiner Unabhängigkeit berauben werde. Das Ende seiner Karriere, die er dem braunen Regime angedient hatte (bis es ihn an sich kettete), verlief für den Diener in der gleichen Parabel eines unausweichlichen Fallens wie für seine Herren und Peiniger.Spätestens als bei Kriegsende sein Tod bekannt wurde, musste Louis de Wohl wissen, dass die von ihm in die Welt gesetzte Krafft-Legende jeglicher Grundlage entbehrte. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, sie weiterhin zu kolportieren und damit viel Geld zu verdienen. Der »glorreiche Kampf gegen die Giftschlange am Nazibusen« verbrämte seine eigene Beschäftigung während des Krieges. So gelangte auch Louis de Wohl endlich zum ersehnten Ruhm.Die Nazis – sich um ihr eigenes Verbot längst nicht mehr scherend – hatten mittlerweile andere »Spiritisten« aufgetrieben, die ihnen willig zuarbeiteten. Darunter waren auch »Pendler«, die, angeführt von einem gewissen Wilhelm Wulff, den unbekannten Aufenthaltsort Benito Mussolinis (1883-1945) herausfanden. So konnte der von Marschall Pietro Badoglio (1871-1956) gefangen gesetzte Duce schließlich in der berühmten >Operation Alarich< durch Otto von Skorzeny aus seinem Gefängnis auf dem Monte Sasso befreit werden. Die Aktion verlängerte Mussolinis Leben nur um die kurze Frist des makabren Zwischenreiches von Salö, dann bereiteten ihm die Schüsse von Dongo endgültig den Garaus. Der »Führer«, der sich nie etwas aus Astrologie gemacht hatte, soll sich in seinen letzten Tagen, angeregt durch Goebbels, der beiden Horoskope erinnert haben, die in den Archiven der Reichskanzlei lagerten. Das eine, vom 30. Januar 1933, wird von vielen (fälschlicherweise?) Elsbeth Ebertin zugeschrieben, das andere (Verfasser unbekannt) stammte aus dem Jahr 1918 und betraf das Schicksal der Republik. Sie stimmten, was vorher keiner festgestellt hatte, auf erstaunliche Weise überein: »1939 Kriegsausbruch, Siege bis 1941, dann sich steigernde Rückschläge bis in den April 1945 (der große Umbruch), Frieden, drei schwere Jahre für Deutschland, ah 1948 wundersamer Wiederaufstieg«. Das beeindruckte Hitler sehr. Am 12. April 1945 – die Rote Armee stand vor Berlin – erhielt Schwerin von Krosigk, der Reichsfinanzminister, telefonisch die Nachricht, dass Präsident Roosevelt (1882-1945) tot sei. Goebbels beglückwünschte den Führer: »Das ist die Wendel Wie in den Sternen geschrieben'. Heute ist Freitag, der 13.!«Hitler verlangte nun doch einen Astrologen zu sehen. Ein gewisser Bernd Unglaub (+1945), der im Jahre 1941 um Haaresbreite wegen Verbreitung defätistischer Äußerungen – sprich: Wehrkraftzersetzung –dem Fallbeil entgangen war, hauste unweit der Reichskanzlei in den Trümmern der Bülowstraße. Die verbliebenen Adjutanten beeilten sich, ihn herbeizuschaffen. Kurz darauf verließ er den Führerbunker zitternd, aber lebend. Es dauerte noch zwei Wochen, bis Hitler und Goebbels sich dazu durchrangen, sich samt ihrer Ehefrauen umzubringen.Himmler, der sich im Gegensatz zu seinem Führer gegenüber der Macht der Sterne zeitlebens als nahezu hörig erwiesen hatte, ließ sich jetzt von seinem Leibdeuter, dem Pendler Wilhelm Wulff, nichts mehr raten. Er versuchte, verkleidet nach Südamerika zu entkommen. Als er aufgegriffen wurde, zerbiss er die stets mitgeführte Zyankalikapsel.Damit war der Spuk vorbei. Ihn als eine Entgleisung der Weltgeschichte abzutun, verbietet sich angesichts der Wunden, die er schlug. Seine Darstellung im Rahmen einer Geschichte der Astrologie mag übergewichtet anmuten, aber historische Tatsache ist, dass sich – spätestens mit Beginn des 20. Jahrhunderts – das Schwergewicht sämtlicher Bereiche, die mit der Astrologie zusammenhingen, nach Deutschland verlagerte, und dieses Deutschland stand nun mal (ob ursächlich, als Folgeerscheinung oder schicksalhaft) unter dem Zeichen einer missverstandenen, missbrauchten Swastika und demonstrierte ungehemmt, wozu die menschliche Gesellschaft fähig ist. Den Sternen ist dies alles nicht anzulasten: stellae inclinant non necessitant.Leider sind noch keine Bewertungen vorhanden. Seien Sie der Erste, der das Produkt bewertet.
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