Dieses Buch ermöglicht ein umfassenderes Verständnis der Venus, die mit Idealen, Kreativität, Romantik und Beziehungen assoziiert wird. Untersuchen wir Venus im Horoskop, so achten wir zuerst auf die Tierkreiszeichen Stier und Waage, denn dort steht Venus in ihrem Domizil. Erin Sullivan zeigt, dass sich diese Dualität bereits in der antiken Mythologie nachweisen lässt, denn es gibt zwei Ursprungsmythen für die Göttin der Liebe. Alle Ebenen unseres menschlichen Erlebens sind noch heute durchdrungen von der Vorstellung des Niederen und des Höheren, des Profanen und des Sakralen, von Körper und Denken, Lust und Liebe. Das Buch verdeutlicht die Auswirkungen dieses Doppelaspekts, denn wir alle tragen das wilde Antlitz der Stier-Venus, die ungezähmte, animalische Seite in uns. Dieser irdische Aspekt hat mit unseren elementaren Werten, Bedürfnissen und Emotionen zu tun. Aber auf der Instinktebene allein zu handeln ist nicht attraktiv. Deswegen haben wir die gleichermaßen wertvolle und verfeinerte Waage-Seite ebenfalls in uns, die unsere Fähigkeiten lenkt, mit anderen Menschen in Beziehung zu stehen, Kompromisse mit unseren Instinkten zu schließen und zur zivilisierten Welt zu gehören. Der Planet Venus spielt eine wichtige Rolle für unsere Fähigkeit, Liebe zu geben und zu nehmen.
Ausgehend von der doppelten Mythologie der Göttin Aphrodite betrachtet die Autorin die zwei Seiten der Liebe: die platonische Liebe und die sinnliche Liebe. Sie zeigt, dass diese beiden Ausprägungen der Venus in uns nicht immer harmonieren. Unsere Verhaltensweisen im Liebesleben werden zum größten Teil dadurch bestimmt, wie gut diese beiden Faktoren übereinstimmen. Astrologisch läßt sich dies sehr gut an den Winkelverbindungen dieses Planeten ablesen. Die Autorin gibt fundierte und mit Humor gewürzte Interpretationen der Venus-Aspekte zu den anderen Planeten. Dabei gelangt sie auf dem Hintergrund des doppelten Mythos zu ganz unerwarteten Deutungen und zeigt dem Leser nicht nur, wie er Ideale zur Wirklichkeit werden lassen kann, sondern auch Wege für ein tieferes Erfassen der Venus-Energie.
Erin Sullivan arbeitet seit 1972 als beratende Astrologin und unterrichtet in Kanada, USA und Großbritannien. Sie lebt in London und in Arizona. Sie ist Dozentin am "Center for Psychological Astrology" in London. Herausgeberin einer astrologischen Reihe bei Penguin Books. Zahlreiche Artikel in allen führenden astrologischen Zeitschriften.
Die zweifache Göttin Venus: Urania und Pandemos
Für Aphrodite gab es eine sie verehrende Gefolgschaft, zahlreiche Kulte, Besänftigungsriten und so weiter. Sie war eine höchst individuelle Göttin mit vielen Funktionen und wurde in der ganzen mediterranen Welt verehrt. Die mündliche Überlieferung im antiken Griechenland vermittelt uns, dass Aphrodite die älteste der griechischen Gottheiten im herkömmlichen Pantheon ist. Die Geburt der anderen Götter fand erst danach statt, im Goldenen Zeitalter des Kronos oder noch später, wie im Falle der Athene, die »ausgewachsen dem Haupte ihres Vaters Zeus entsprang«. Auch Aphrodite wurde unabhängig von der konventionellen Vereinigung von Mann und Weib geboren, und sie ist mehr mit ihrem Vater Uranos verbunden als mit ihrer Meeresmutter. In dieser Gestalt ist sie bekannt als Aphrodite Urania, die himmlische Aphrodite.
Eine spätere Überlieferung besagt jedoch, dass Aphrodite als Tochter von Zeus und Dione geboren wurde. Homer hatte diese Mär gehört, wie aus seinen Epen hervorgeht. Er bezeichnet Aphrodite als die Tochter von Zeus und Dione. Diese Version ist sehr viel konventioneller arrangiert, als die unglaublichen Geschichten von Kastrationen, von der Trennung von Himmel und Erde, von Samen, Schaum und Blut. Also wurde Aphrodite einfach aus der Vereinigung eines Mannes mit einer Frau geboren, die eine Göttin hervorbrachte, und die die alten Griechen Aphrodite Pandemos benannten. Dies ist ein späterer Mythos und er entsprach wahrscheinlich den Bedürfnissen der kulturellen Entwicklung. Tatsächlich ist die Verwandlung Aphrodites von der sexuellen Göttin der Liebe in der griechischen Welt zur Venus genetrix – Göttin der Fruchtbarkeit und Mutter von Aineias, dem Gründer von Rom – in der römischen Kultur das Resultat dieses Mythos.
Wie wir noch sehen werden, ist es bezeichnend, dass dieser Sekundärmythos Aphrodites Rolle als Göttin mit zwei Gesichtern enthüllte, da sie die dualen Bilder von Liebe und Kreativität regiert. Alle Ebenen unseres menschlichen Erlebens sind bis heute durchdrungen von dem Konzept eines Höheren und eines Niederen, oder von Sakralem und Profanem. Als ein Kind, aus Männlichem und Weiblichem gezeugt, war Aphrodite deshalb auch in einem weiteren Aspekt der Umsetzung von Eros-Erleben sehr tüchtig. Wir haben also zum einen Eros, und wir haben Venus, welche zwei Funktionen erfüllt.
Die Funktion Urania ist »sakral«, die Funktion Pandemos ist »profan«. Damit haben wir die zwei Archetypen Urania und Pandemos, die beide Ebenen des Erlebens befriedigen, die himmlische und die irdische. Pandemos bedeutet schlicht »aus dem Volke«, »durch das ganze Volk«, »alles Volk« (pan demos). Dies entspricht dem Bild der dualen Göttin – die eine hat ein göttliches Antlitz, das wohl zuweilen Furcht einflößt, und die andere, zwar ebenfalls unsterbliche und allmächtige, aber doch mit menschlicheren Zügen ausgestattete, ist den sterblichen Vergnügungen und der menschlichen Kreativität zugewandt.
Die Griechen pflegten einen vorsichtigen Respekt vor Aphrodite. Ihre Kräfte waren allgemein als denen des Zeus gleichwertig anerkannt – und Zeus war das Oberhaupt der Olympier. Doch Aphrodite war von Zeus, vermutlich aus konventionellen Erwägungen heraus, gezwungen worden zu heiraten, was nicht ihrer natürlichen Neigung entsprach. Die Heirat von Aphrodite und Hephaistos symbolisiert eine viel irdischere Seite ihres Wesens: den Pandemos-Aspekt der Aphrodite. Hephaistos war ein vollwertiger Olympier, ein Sohn der Hera. Sein Vater ist offenbar Zeus selbst, bei Hesiod allerdings ist Hephaistos ein Sohn der Hera allein.
Hera schämte sich des Lahmgeborenen so sehr, dass sie ihn aus dem Himmel stieß und ins Meer warf, wo ihn zum Glück Thetis auffing, die ihn neun Jahre lang versorgte. Hephaistos war ein glänzender, kunstfertiger Handwerker und fertigte prächtige Schilde, einfach fabelhafte Schöpfungen. Aber er war lahm und unansehnlich, nicht gerade ein Liebhaber nach Aphrodites Wunsch. Er war nicht bezaubernd und hübsch wie Apoll, oder gerissen wie Hermes, oder sexy wie Ares – er war eben einfach nicht aufregend. Er war ein schlichter, lahmer Mann und Aphrodite lehnte es ab, eine enge Beziehung mit ihm einzugehen. Sie wurde mit ihm verheiratet, doch es gibt kein Anzeichen für eine Ausübung der ehelichen Pflichten. Die Ehe blieb fruchtlos, Aphrodite gebar Hephaistos nie ein Kind. Andere taten dies wohl, es war also nicht er, an dem es fehlte, sondern sie, die ihn zurückwies.
Dies erinnert an die Geschichte von der Verdrängung der Ungeheuer durch Uranos, und so hat Aphrodite Urania die elitäre Haltung ihres Vaters geerbt. Dieser Ehemann war nicht schön, er war häßlich, und vermutlich nahm sie ihn auf die Seite und sagte: »Nein, ich will damit nichts zu tun haben. Ich will nur Sachen, die schöner und vollkommener sind.« Aphrodite Urania war definitiv ein Kind ihres Vaters. Sie trug mehr Maskulines in sich als Aphrodite Pandemos, die Kinder austrägt, Sex hat, transpiriert und auch alle anderen Dinge ausführt, die Menschen so tun. Aphrodite/Venus Urania hatte keinesfalls eines dieser Attribute – sie war vollkommen ideal, durch und durch Göttin, aber überhaupt nicht Frau. Also schenkte sie ihrem Gatten niemals ein Kind.
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Ich fand das Buch nicht tiefgreifend genug, hat mir nicht viel neues gebracht.
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