Wie können wir Saturn begegnen und ihn astrologisch besser verstehen? Welche Schlüsse müssen wir bei unserer individuellen Saturn-Stellung für unser Leben ziehen? Peter Orban erklärt, wie Saturn als Hüter in den wichtigsten Lebensbereichen Schicksal, Gesetz und Ordnung, Verantwortung, Berufung und Tod auftritt.
Dr. Peter Orban lehrte von 1972 bis 1978 Sozialpsychologie an der Universität Frankfurt a. M. Seit 1978 arbeitet er als Astrologe und Psychotherapeut in seiner eigene Praxis in Frankfurt. 1984 gründete er zusammen mit Ingrid Zinnel "Symbolon".
Der Mythos des Saturn
Als in Griechenland der Olymp eröffnet wurde, gleichsam der innere Kreis, die interne Tafelrunde der Gottheiten, als also jeder der großen Götter seinen Platz im griechischen Walhalla auf dem Gipfel jenes sagenumwobenen Berges einnahm, war Kronos-Saturn nicht unter ihnen.
Es scheint als ob damals eine Art göttlicher Quotenregelung gegeben hat, denn wie sonst fände ein derart patriarchales Volk wie die Griechen zu sechs männlichen (Zeus, Poseidon, Apollon, Ares, Hephaistos, Hermes) und sechs weiblichen (Hera, Athene, Artemis, Aphrodite, Demeter, Hestia) Gottheiten?)
Nein, Kronos gehörte nicht zu den Olympiern, er gehörte vielmehr zu jenen, die diese erst hervorgebracht hatten. Er ist der Vater zumindest einiger von ihnen. Er ist der Vater von Poseidon, Hestia, Demeter, Hera, Hades und von Zeus. Zeus ist sein jüngster Sohn, ein wie wir später sehen werden, wichtiger Topos. Hades hat seinen Platz ebenfalls nicht auf dem Olymp, denn er regiert nicht über die Welt, sondern eine Etage darunter, über die Unterwelt, eben über den Hades. Und: Kronos Saturn, der Vater, mag seine Kinder nicht!
Um das zu verstehen, müssen wir ein wenig weiter ausholen. Es liegt dahinter nämlich eine (wenn auch göttliche) Familienverstrickung verborgen. Hesiod erzählt uns diese Geschichte so: Das erste große Götterpaar: gleichsam Adam und Eva der griechischen Weltentstehung, waren Uranos, der Himmelsgott, und seine Gemahlin, die Göttin Gaia, die Erde. Und Uranos kam jede Nacht zu seiner Frau, um sie, die Erde, zu umfangen und zu begatten. Doch die Kinder, die aus dieser nächtlichen Beiwohnung entstanden, waren dem Vater verhaßt. Es waren - man höre und staune - zwölf Kinder, die Hesoid ebenfalls beim Namen nennt. Wieder sechs Töchter: Theia, Rhea, Themis, Mnemosyne, Phoibe und Thetys und sechs Söhne: Okeanos, Koios, Krios, Hyperion, Iapetos und als jüngstes Kind Kronos. Das erste, was wir je von Kronos hören, ist folgendes:
"Als das jüngste nach ihnen entstand der verschlagene Kronos,
dieses schrecklichste Kind, er haßte den blühenden Vater.
(Hesiod: Theogonie, Wien 1937, Zeile 137)" Dieser Hass jedoch will uns nicht weiter wundern, denn Uranos, der Vater, macht sich eine "Freude" daraus, die Kinder nicht ans Licht des Tages zu lassen; er sperrt sie ganz einfach ein
"Denn von allen, die so aus Gaia und Uranos stammten,
Waren die Schrecklichsten sie, verhaßt dem eigenen Vater
Gleich von Anfang. Sobald von ihnen einer geboren,
Barg er sie alle und ließ sie nicht zum Lichte gelangen,
Tief im Schoße der Erde, sich freuend der eigenen Untat, Uranos."
(Hesiod, ebd. 155)Ganz offensichtlich fürchtet Uranos ein Erstarken der Kinder und damit eine Bedrohung für seine Macht, denn immerhin, er ist weit und breit der einzige männliche Gott! Ein solches Tun aber kann einer Mutter nicht gefallen. Gaia wendet sich in ihrem Kummer über die eingesperrten Kinder an diese selbst, hauptsächlich an die Söhne:
"O ihr Kinder von mir und dem grausigen Vater, sobald ihr
Willig, mir zu gehorchen, so rächt an dem eignen Erzeuger
Schlimme Schmach; zuerst hat ja er selber gefrevelt."
Sprachs, und alle erfasste Entsetzen und keiner von ihnen
Redete; nur der große, der listenmächtige Kronos
Gab, von Mut beseelt, der erhabenen Mutter die Antwort:
"Mutter, so will denn ich dir dies versprechen und möchte
Gern das Werk vollenden, denn unser verrufener Vater
Kümmert mich wenig, zuerst hat er ja übel gehandelt." (ebd. 164)Es sind tatsächlich gern die jüngsten Söhne, die die Aufgabe übernehmen, sich für die Mutter beim Vater zu rächen. Es sind gern die jüngsten Söhne, die sich darin vor allen Geschwistern und vor der Mutter an die erste Stelle (noch vor den Vater) überheben. Und da Kronos noch zu schwach ist, es mit dem Vater Auge in Auge aufzunehmen, schmiedet ihm die Mutter (aus dem Erz ihrer Erde)"ein graues Eisengebilde, eine gewaltige (zahnige) Sichel" (162 und 180)
Wir finden hier den Ursprung jenes Werkzeuges, das Kronos Saturn von da ab immer bei sich führen wird. Dieses Gerät wandelt sich dann später zu jener (größeren) Sense, die wir in der Gestalt des Todes (im Mittelalter) auf tausenden von Abbildungen vorfinden.
Die Mutter aber tut noch ein übriges: Sie verbirgt Kronos in einem sicheren Versteck, sie lehrt ihn noch allerlei "listige Schliche", wie er den Vater überwinden kann und als dann - des nachts - der große Gott Uranos (der Himmel) wieder seiner Gemahlin Gaia (der Erde) beiwohnen will und - wie wir annehmen wollen - von wilder erigierter Begierde abgelenkt ist, da greift Kronos, der Sohn, aus dem Versteck mit der linken Hand das Geschlecht...
"...und griff mit der rechten die ungeheuerlich große,
Schneidende, zahnige Sichel und mähte dem eigenen Vater
Eilig ab die Scham und warf im Fluge sie wieder
Hinter sich; sie entflog nicht eitel und unnütz den Händen." (179)Uranos, der Vater, ist damit machtlos, kastriert. Jetzt ist es der Sohn Kronos, der die Macht über das Göttergeschlecht hat. Uranos hat die Kraft der Zeugung verloren, er kann sich mit seiner Frau Gaia nicht mehr vereinen. Die erste Zeugung des Götterhimmels geht mit sechs Söhnen und sechs Töchtern zuende. Kronos schwingt sich durch diese Tat zur Herrschaft über das Titanengeschlecht auf und eine neue Ära beginnt. Freilich, die Verwicklung ist gesetzt. Der Vater ist geschändet. Die Verwirrungen nehmen ihren Lauf.
Beinahe beiläufig erzählt der Mythos an dieser Stelle noch etwas sehr Entscheidendes: Es entsteht nämlich nicht nur eine Verfehlung des Sohnes gegen den Vater, es entstehen auch jene Gottheiten, die später antreten werden, alle Verfehlungen der Kinder gegen die Eltern zu verfolgen und zu ahnden. Die Blutstropfen des abgeschnittenen Penis, die zur Erde fallen (also in Gaias Schoß) sind der Samen, aus denen Gaia dann nach einiger Zeit die Erinyen (die Zorn und Rachegöttinnen) entbindet. Und das weiterfliegende Geschlechtsteil, das letztlich im Meer landet und dort Schaum aufwirbelt, bildet den Samen für die Entstehung einer aus dem Schaum (Aphros) geborenen Göttin: Aphrodite. (Aber das ist eine andere Geschichte.)
Kronos ist also jetzt der Herrscher über das (neue) Göttergeschlecht der Titanen. Er, der jüngste, schwingt sich zum größten unter den elf Geschwistern auf. Und er tut das, was gute Götter tun: Er nimmt sich eine Gemahlin und er beginnt eine neue Reihe von Göttern zu zeugen, die sein Geschlecht fortführen. Aber welche göttliche Frau gäbe es als seine Gemahlin außer seiner Schwester? Nun, was bei uns Menschen Blutschande wäre (und zutiefst verpönt), das ist im Himmel der Götter eine ganz normale Angelegenheit. Unter den Kindern von Uranus und Gaia nehmen etliche ihren eigenen Bruder zum Mann, ihre eigene Schwester zur Frau:
Theia nimmt Hyperion zum Mann und sie zeugen Helios (die Sonne), Selene (den Mond) und Eos (das frühe Licht des Morgens)...
Phoibe nimmt Koios zum Mann und sie zeugen Leto (die spätere Mutter von Apollon und Artemis)..
Rhea schließlich nimmt Kronos zum Mann und sie zeugen sechs (nicht zwölf!) Kinder, die später allesamt zu den großen Gottheiten zählen. Drei Töchter: Hestia, Demeter und Hera sowie drei Söhne: Hades, Poseidon und Zeus.
Zeus ist der jüngste!
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