Die innere Ehe:die Halbsumme von Sonne und MondGleich den Partnern in einer Beziehung bilden Sonne und Mond den zweifachen Brennpunkt, um den sich die Dynamik jedes Horoskops dreht. Die beiden «Lichter» können als Repräsentanten des männlichen und weiblichen Prinzips gesehen werden, als Vertreter des Bewussten und Unbewussten, des Aktiven und Passiven, von Yin und Yang, als Symbole der bewussten und unbewussten Handlungsmöglichkeiten jeden Augenblicks. Wie wir wissen, kann hei der Horoskopanalyse eine ausführliche Betrachtung dieser beiden Himmelskörper und ihrer Beziehung zueinander häufig die Grundthemen im Leben des Betreffenden enthüllen.Wenn wir die Halbsumme von Sonne und Mond untersuchen, dann beschäftigen wir uns mit einem Punkt, der die Verschmelzung dieser beiden Prinzipien verkörpert. Es ist ein Punkt, an dem die durch die beiden Himmelskörper symbolisierten tiefgreifenden Prozesse mit anderen planetarischen Prinzipien in Wechselwirkung treten und gewaltige schöpferische Kräfte im Leben des Betreffenden freisetzen. Diese Schöpferkraft entsteht, weil die Halbsumme von Sonne und Mond die conjunctio der Alchemisten ist, der Punkt der «inneren Ehe», an dem die maskulinen und femininen Potentiale jedes Menschen zu einem schöpferischen Ganzen verschmelzen. Dies ist der Punkt im Horoskop, von dem aus sich der Betreffende «mit ganzem Herzen», «mit Leib und Seele», «mit Kopf und Bauch» auf die Welt beziehen kann. Hier finden die beiden Pole zusammen, und der Mensch kann sich mit überströmender schöpferischer Energie freudig dem Leben und seinen höheren Zielen hingeben. In Begriffen der neueren psycho-physiologischen Erkenntnisse symbolisiert die Halbsumme von Sonne und Mond den Punkt, an dem die sonst fast autonomen Gehirnhemisphären zusammenwirken können. An dieser Stelle können die «maskulinen», logischen, verbalen und intellektuellen Fähigkeiten der linken Seite mit den «femininen», emotionalen, musischen und intuitiven Fähigkeiten der rechten Seite zusammenwirken und eine schöpferische Energie aufbranden lassen.'Im Alltagsleben erfahren wir diese Wechselwirkung zwischen Sonne und Mond in jenen Augenblicken, in denen wir fast eingeschlafen oder gerade aufgewacht sind. Dies können äußerst schöpferische Augenblicke sein, da die beiden verschiedenen Aspekte der Psyche vorübergehend in Wechselwirkung stehen, so dass wir einen halb bewussten Zugang zum Unbewussten finden. Für den jungen Descartes beispielsweise waren diese Momente so produktiv, dass er, entgegen denRegeln des Klosters, in dem er erzogen wurde, im Bett bleiben durfte. Auf ähnliche Weise sind Verliebtheit und das Ende einer Liebe, in der Welt durch Poesie, Musik und vielerlei Aktivitäten gewürdigt, ebenfalls Ausdrucksformen dieser Wechselwirkung zwischen männlichen und weiblichen Elementen der Psyche. Viele Künstler, unter ihnen auch Goethe, waren fast süchtig nach diesen süssen Inspirationen.Das Potential zur «inneren Ehe» ist in uns allen angelegt. Besonders aktiv wirkt es aber bei den Menschen, in deren Horoskopen die Halbsumme von Sonne und Mond durch einen dritten oder noch weitere Horoskopfaktoren besetzt ist.' Dieser zusätzliche Faktor wirkt wie ein Katalysator oder Brennpunkt für den Prozess der inneren Verschmelzung. In diesem Fall konzentriert sich das Leben auf diesen dritten Faktor und wird zugleich von den Qualitäten dieses Faktors erfüllt. Je intensiver ein Mensch, hei dem die Halbsumme von Sonne und Mond von einem dritten Faktor berührt wird, mit dem Prinzip dieses Faktors arbeitet, desto abgerundeter wird sein Leben.Auch Transite, besonders die stationären Phasen äußerer Planeten, Progressionen oder Direktionen können auf ähnliche Weise wie Katalysatoren auf die im Radix unaspektierte Halbsumme von Sonne und Mond wirken. Wenn man mit den Energien des auslösenden Planeten arbeitet, erzeugen solche Phasen vorübergehend eine größere Konzentriertheit, Zielstrebigkeit und Ganzheit. So kommen Dinge in Verbindung, die zuvor getrennt waren. Diese Phasen durchtränken alle Lebensumstände und Situationen mit dem entsprechenden planetarischen Prinzip. Eine Frau mit stationärem Mars auf der Halbsumme von Sonne und Mond wird plötzlich für ihre Verhältnisse ungewöhnlich entschlossen und selbstsicher. Ein bislang rigider, orthodoxer Mann mit Transit-Neptun auf diesem Punkt wird weicher und öffnet sich für neue Ideen, oder er wird vorübergehend verwirrt und lässt sich zu zweifelhaften Plänen und Beziehungen verleiten. Wenn wir uns der Vorgänge an diesem Punkt, ob durch Transite oder Progressionen ausgelöst, bewusst sind, hat dies weitreichende Auswirkungen auf unser Verhalten in einer Beratungssituation und beeinflusst die Art und Weise, auf die wir unserem Klienten die Informationen über sein Horoskop nahe bringen.Man kann die Bedeutung dieser Halbsumme gar nicht hoch genug bewerten. Sie ist so wichtig wie ein persönlicher Planet, denn sie bündelt die Energie der beiden wichtigsten Horoskopfaktoren. Diesen Punkt unberücksichtigt zu lassen, bedeutet, eine schwere Unterlassungssünde zu begehen. Ein Klient mag eine ganze Reihe von Himmelskörpern in Feuerzeichen haben, doch wenn Saturn exakt auf der Halbsumme von Sonne und Mond steht, dann wird ein Astrologe, der diesen Punkt ignoriert und sich ausschließlich über die Wirkung der Feuerenergien im Leben des Klienten auslässt, schlechte Arbeit leisten und Schande über seine Zunft bringen.