In Mesopotamien stand die Wiege von Astrologie und Astronomie. Das Wissen der Sumerer wurde uns in zahlreichen Keilschrifttafeln überliefert. Die Autorin führt Sie durch die kosmologische Welt Mesopotamiens. Die ältesten Tierkreisbilder und sichtbaren Planeten werden in Keilschrift bildlich dargestellt und im Zusammenhang mit den babylonischen Mythen vorgestellt. Ein weiteres Kapitel widmet sich den Stufentempeln, die als Metapher für die sieben Planetenprinzipien verstanden wurden. In ihnen spiegelt sich die Entwicklung des menschlichen Bewusstseins. Mit diesem Buch können Sie eintauchen in die mesopotamische Himmelsschau und die Sprache des Himmels als eine Offenbarung erfahren.
Julia Dimitrov (1958) arbeitet als Dentalhygienikerin und Gesundheitsberaterin in eigener Praxis in Bern. Intensives Studium der vorderasiatischen Archäologie und altorientalischen Sprachen. Beschäftigt sich seit 1982 intensiv mit Astrologie und absolvierte mehrere Ausbildungen. Sie gibt Kurse und Seminare bei verschiedenen Astrologieschulen in der Schweiz mit dem Schwerpunkt antike Astrologie.
Die Entstehung des Tierkreises
Er schuf die Standörter für die großen Götter,
Gestirne, ihnen gleich, die Tierkreisbilder setzte er ein.
Er bestimmte das Jahr, bezeichnete die Grenzen;
zwölf Monate als Gestirne, und in drei Abteilungen setzte er ein,
nach den Tagen des Jahres grenzte er ab Abschnitte.
Der babylonische – oder genauer gesagt der sumerische – Ursprung des Tierkreises ist unbestritten. Für die alten Sumerer und Babylonier galt der Himmel, mit dem Tierkreis und den Planeten (»den wilden Schafen«) als Offenbarungsbuch der Götter. Als das Buch! Den schönen Sternenhimmel, den alle Menschen in Mesopotamien bewunderten, nannte man auf Sumerisch KIL (ki-li)-AN und auf Akkadisch mul šamê, was »die Fülle des Himmels« bedeutet. Die Sterne waren die »Himmelsschrift«, auf Akkadisch – Šiţir šamê (Schitir schame). Alle Namen der Tierkreisbilder sind sumerisch.
Die Sumerer stellten sich den Weg, auf dem die Sterne und die Planeten »wanderten«, als einen »Dammweg« vor und nannten ihn »Himmelsdamm«. UL-ḪE oder GIR war die sumerische Bezeichnung für den Tierkreis. Der akkadische Ausdruck »Šupuk šamê.« (Schupuk Schame), der sich mit der Zeit anstelle des sumerischen durchgesetzt hat, bezeichnet den Tierkreis, was wörtlich »Aufschüttung« oder »Damm des Himmels« bedeutet. Šupuk ist also ein »technischer« Begriff und steht für »Damm«, šamê bedeutet »Himmel«. Diese Bezeichnung entspricht dem Land zwischen den großen Strömen Tigris und Euphrat in Babylonien, wo durch Aufschüttungen Straßen für die Häuser gebaut wurden. Im babylonischen Schöpfungsmythos stellt man sich die Entstehung der Erde durch Aufschüttung der Erdmassen und Rohrgeflecht auf dem Wasser vor.
Ein anderes Wort auf Akkadisch für Tierkreis ist lumāšu, was aber genauer »ein Sternbild« bedeutet. Später benutzt man den gleichen akkadischen Ausdruck auch für die Tierkreiszeichen.
Auf Sumerisch wird der Tierkreis auch als AN-TIR-AN-NA (Antiranna) bezeichnet. Der Name bedeutet »Wohnung des Himmels«, »Hain des Himmels« oder genauer »der himmlische Wald« und wird als »Götterweg« gesehen. Oft wird diese Bezeichnung auch für den Regenbogen benutzt. Regenbogen und Tierkreis sind in der sumerisch-babylonischen Anschauung Entsprechungen.
Der Ring des Tierkreises findet seinen Ausdruck auch beim kultischen Kreistanz. In einem Text aus der Zeit Assurbanipals (7. Jh. v. Chr.) wird bei einer kultischen Feier gesagt, dass die Feiernden sich unter Musikbegleitung gleich AN-TIR-AN-NA um das Götterbild gedreht haben. Der Schreiber meinte: im Ring, im Kreis. Dieser Tanzkreis bedeutet den Tierkreis, der sich in der Sphärenmusik des Himmels dreht.
Dieser kosmische Tanz wird durch eine andere Erklärung des Zeichens AN verständlich, was den Namen des Himmelsgottes bezeichnet in der Form als achtzackiger Stern. dazu Alfred Jeremias schreibt dazu:
Das Ideogramm AN (achtstrahlig, mit 16-strahliger Variante) bezeichnet Anu als summus deus, als Inhaber des Nibiru-Punktes des kosmischen Nordhimmels, der am Fixsternhimmel durch den Polarsterngezeichnet ist.
Das ganze kosmische Weltbild wird abgerundet durch die Vorstellung einer Verbindung zwischen Himmel und Erde. Himmel und Erde werden nach der sumerisch-babylonischen Vorstellung durch ein »Band« verbunden, das auf Sumerisch DUR-AN-KI genannt wird und auf Akkadisch markas šamê. Dieses »Band des Himmels und der Erde« wird wie alle Himmelsteile vergöttlicht und personifiziert. Es wird mit dem Gott Enmešarra (Enmescharra) gleichgesetzt. Enmešarra ist der sumerische Herr der Vegetation und wird als Repräsentant des gesamten irdischen Alls gesehen, der seine Kraft vom Himmel empfängt. Enmešarra wird darum »Das erhabene Band zwischen Himmel und Erde« genannt.
Diese zunächst ganz einfache kosmisch-biologische Vorstellung – schreibt Alfred Jeremias – ist der Ausgangspunkt für den in die ganze Welt gewanderten Gedanken von einem kosmischen Nabel geworden, der das Obere und Untere verbindet, wie der Nabel die Verbindung von Kind und Mutter bildet. In der kosmischen Geographie wird immer der Punkt, der den Zugang zur oberen Welt angibt, als der Zugang zur himmlischen Welt mit einer Omphalosvorstellung verbunden und oft monumental so dargestellt. […] Dass die Wurzel auch hier sumerisch ist, sieht man an der Bezeichnung der Metropole des ältesten sumerischen Reiches, Nippur, als DUR-AN-KI, Band des Himmels und der Erde.(Alfred Jeremias
Nach dieser uralten Vorstellung und Tradition wurde jede große Hauptstadt und jedes große geistige Zentrum, sich einander abwechselnd, einmal zum »Band des Himmels und der Erde«: Babylon, Delphi, Rom, Jerusalem, Konstantinopel, Bagdad, Mekka, usw. (…)
Vorbild für die Zwölfteilung war in erster Linie die Bewegung des Mondes durch den Tierkreis und sein 12-monatiger Zyklus. In einem Jahr gibt es je 12 Neumonde und 12 Vollmonde. Die Bewegung des Mondes und der Planeten durch den Tierkreis in der Nacht zu beobachten war und ist viel einfacher. Am Tag erblassen die Gestirne wegen der Sonnenstrahlen, wegen des Lichts können sie nicht beobachtet werden, sie werden unsichtbar. Das hatte sogar eine besondere Bedeutung für die religiöse und mythologische Charakteristik der Sonne in Mesopotamien. Die Sonne galt aus diesem Grund in gewissen Zusammenhängen als Todesgestirn.
Eine Teilung des Sonnen-, Mond- und Planetenbahnen ist naheliegend, denn so ist es möglich aufgrund des 12-monatigen Mondzyklus auf dem Zifferblatt des Himmels die Bewegung der Sterne und Planeten als Zeitmesser zu verfolgen und ihre Positionen auf dem eingeteilten Gürtel festzuhalten. Diese Bewegung wurde aus den schon oben genannten praktischen Gründen in der Nacht auf dem »Weg des Mondes« beobachtet.
Als Ausgangspunkt wurde der Neumond genommen, als Höhepunkt der Vollmond. Wenn in den babylonischen Keilschriften die Rede vom »Weg des Mondes« ist, sollte man darunter den Tierkreis verstehen. Die Sterne und die Planeten bewegen sich nach babylonischer Auffassung auf dem »Weg des Mondes«.
Die babylonische Bezeichnung »ḫarrân ilu Šamaš« (akkadisch), »Weg der Sonne«, der die Bahn der Sonne durch das Jahr umfasst, bezeichnet nicht den Tierkreis, sondern nur den Tageslauf der Sonne, aus dem der Tierkreis entwickelt wurde.
Der Umlauf des Mondes durch den Tierkreis dauert 27–28 Tage. Dadurch ist die Lehre der Mondstationen entstanden, die heute noch in der indischen und der arabischen Astrologie angewendet werden.
Der sumerische Kalender hatte ein Rundjahr von 360 Tagen, bestehend aus 12 Monaten von 30 Tagen. Diese Aufteilung entspricht dem Kreis von 360 Bogengrad. Das altsumerische Rundjahr mit einer Zwölfteilung ist in einem Text der Bibliothek von Assurbanipal bezeugt (12 Monate = 1 Jahr = 360 Tage). Das »große Jahr«, bestehend aus 360 Tagen heißt auf Sumerisch MU und auf Akkadisch šattu. Ein »kleines Jahr«, d.h. ein Monat, bestehend aus 30 Tage heißt auf Sumerisch ITU und auf Akkadisch arḫu. Zum Ausgleich mit dem Sonnenjahr wäre eine Schaltung von 5 Tagen notwendig, wie in Ägypten. Die Sumerer haben eine Schaltung aber erst dann vorgenommen, als ein Bedürfnis dazu eintrat. Dann haben sie nicht eine Schaltung von Tagen, sondern von Monaten durchgeführt. Dass diese Praxis altsumerisch ist, beweist das sumerische Wort für »Schaltmonat«, das ins Akkadische übernommen wurde.
Der alte sumerische Kalender um die Zeit von den sumerischen Königen Lugalanda und Urukagina (ca. 2900 v. Chr.) begann mit der Wintersonnenwende. Das war das Fest der Hochzeit zwischen dem Stadtgott von Girsu Ningirsu und der Mutter, Geburts- und Heilgöttin Baba oder Bau. Das fiel damals auf den 12./13. Januar des julianischen Kalenders. Der sechste Monat wurde nach dem heliaktischen Aufgang eines hervorstechenden Sternes genannt – BAR-SAG (akkadisch – urru maḫrû), der »hervorragendes Licht« bedeutet. Man nimmt an, dass es sich in dieser Jahreszeit um den Stern Sirius handelt. Dieser hatte auch in Ägypten eine zentrale Bedeutung im Zusammenhang mit dem Beginn der Nilflut gehabt. Später verlegte man das Neujahrfest auf den Frühling, wo auch heute das astronomische Jahr beginnt. In babylonischer Zeit gab es zwei Neujahrsfeste, ein weltliches im Frühling bei Tagundnachtgleiche für Verwaltungszwecke und ein religiöses im Herbst bei Tagundnachtgleiche. Zum sumerischen Kalender bzw. Monatssystem schreibt Ernst F. Weidner
Wir stehen also hier der bedeutsamen Tatsache gegenüber, dass in dem ältesten uns aus Babylonien bekannten Monatssystem ein Monat nach dem heliaktischen Aufgang eines Fixsternes benannt worden ist. Dann muss man zum mindestens den Aufgang dieses Sternes systematische beobachtet haben; die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass dieses auch mit den Aufgängen der anderen Sterne geschah. In jedem Falle stehen wir dem ältesten Zeugnis für systematische Beobachtung in Babylonien, also den Anfängen wissenschaftlicher Astronomie, gegenüber. (Ernst Weidner)
Ein anderer möglicher Grund für die Zwölfteilung des Tierkreises könnte auch der Zyklus Jupiters gewesen sein, denn Jupiter hat ein 12-jähriger Zyklus, d.h. er benötigt 12 Jahre; um den ganzen Tierkreis zu durchlaufen. Jupiter hatte eine sehr große Bedeutung für die sumerische und babylonische Astrologie, denn Jupiter war der Planet Enlils bzw. Marduks, des obersten Gottes der Sumerer und der Babylonier.
Die erste Erwähnung von Sternen der Tierkreisbildern ist aus den letzten Jahrhunderten des 3. Jahrtausends v. Chr. bezeugt. Ein keilschriftliches Dokument liegt in der sogenannten Serie Mul Apin vor. Diese ist nur in Abschriften von späteren Zeiten überliefert. Die Keilschriftserie trägt den Namen des ersten Sterns, der an Anfang der Tontafel geschrieben steht – Mul Apin, Mul als Determinativ für Stern, Apin bedeutet auf sumerisch Pflug. Die Keilschriftserie ist darum als die sogenannte »Pflug-Stern-Serie« in der Fachliteratur bekannt.
In einem Abschnitt des Textes werden die Sterne, »die auf der Bahn des Mondes stehen« aufgezählt. Es sind zwar insgesamt siebzehn Sterne bzw. Sternbilder aufgezählt, aber die zwölf uns bekannten Tierkreisbilder sind bereits in diesem Text enthalten. Dazu schreibt Alfred Jeremias:
Ich vermute vielmehr, dass doch unser Zwölfertierkreis bereits diesem Texte zugrundeliegt. Irreführend ist nur der Anfang mit den eingeschobenen nicht eigentlich zum Tierkreis gehörigen Gestirnen Orion, Perseus und Fuhrmann und die Zweiteilung der Fische am Schluss. Der Fuhrmann gehört zu dem westlichen Teil der babylonischen »Zwillinge«. Und Perseus gehört zum Stier. (Alfred Jeremias)
Als Bedingung für solch ein Resultat liegen selbstverständlich jahrhundertelange Beobachtungen des Sternenhimmels vor. Ernst F. Weidner schreibt dazu:
Der älteste rein astronomischer Text, den wir zurzeit kennen, entstammt der Tempelbibliothek von Nippur und ist um die Wende des dritten und zweiten Jahrtausends geschrieben. Er verzeichnet zwei so überraschend feine Messungen von Fixsterndistanzen, dass die Astronomie damals in Babylonien schon auf kaum glaublicher Höhe gestanden haben muss. Außerdem zeigt der Text, dass sich die babylonischen Meister bereits damals eines Äquatorialsystemes bedienten, mit dessen Hilfe sie die Entfernungen am Himmel maßen. Das stellt ihnen ein Zeugnis über ihr bedeutendes Wissen aus, wie man es sich besser nicht wünschen kann. So war die babylonische Astronomie zur Zeit der ersten Dynastie von Babylon und der Meerlanddynastie zu einer Höhe emporgestiegen, die unser Erstaunen erregt. Da bricht um die Mitte des 18. vorchristlichen Jahrhunderts aus den Zagrosbergen das Volk der Kaššû in Babylonien ein. Die frische Kraft des Bergvolkes trägt den Sieg davon. Für die Dauer von 500 Jahre herrscht nun der Fremdling im Lande. Wenn in dieser Zeit auch kein Niedergang der geistigen Kultur angenommen werden darf, so doch mindestens ein sehr verlangsamter Fortschritt. Das gilt auch auf dem Gebiet der Astronomie. An Urkunden haben wir aus dieser Periode den astrologischen Nippurtext und andererseits die Sternliste und die astrologischen Texte aus Bogaz-Köi. Da die astronomischen Fachausdrücke in diesen Texten vollzählig auftreten, muss die wissenschaftliche Astronomie daneben sich langsam fortentwickelt haben. […]
Eine genaue Zwölfteilung des Zodiaks lässt sich seit ca. 500 v. Chr. (der Schrift nach) in Babylonien bezeugen. Historisch ist das durch eine sogenannte »TE-Tafel« belegt. In dieser Tafel sind alle uns zwölf bekannten Tierkreisnamen erwähnt, einschließlich der Waage.
Um diese Zeit haben die Babylonier angefangen, den Tierkreis nach dem Vorbild des Kalenders in zwölf gleiche Teile zu untergliedern und auf diese Segmente (die neuen Tierkreiszeichen) teilweise die Namen von den Sternbildern zu übertragen. Die neuen »Zeichen« nannte man akkadisch Kakkab lu-ma-ši (Kakkab Lumaschi). Das war ein Name, der ursprünglich die 36 Hauptsternbilder zusammenfasste. Als Abkürzung ist der Name auch als Kakkab Lu in den Keilschrifttexten überliefert worden. Von diesen zwölf Tierkreis-Zeichen« handelt nach Ernst F. Weidner ein Abschnitt einer spätbabylonischen Keilschrift. In diesem Text aus Warka (Uruk), dem Kultort des Himmelsgottes An und der Göttin Inanna, sind alle zwölf Tierkreiszeichen mit akkadischen oder sumerischen Namen aufgezählt, so wie wir sie heute kennen. Am Schluss des Keilschrifttextes ist ein Vermerk auf Akkadisch beigefügt: »Insgesamt 12 Glieder, Teile des Tierkreises, in denen der Mond und die Sonne dahinziehen.«
Der Antwort auf die Schlussfrage, wann genau der zwölfteilige Tierkreis durch einen schriftlichen Beleg als historisch gesichert gilt, können wir als Antwort aus den Untersuchungen von Ernst F. Weidner entnehmen:
Im 5. Jahrhundert v. Chr., also in der Zeit der Perserherrschaft, wird zum ersten Male der zwölfteilige Tierkreis erwähnt, um die gleiche Zeit begegnen auch zum erstem Male die Tierkreis-Zeichen, die nunmehr die Bezeichnung lumaši erhielten.
Alfred Jeremias präzisiert, dass sich die rechnerische Einteilung des Tierkreises in zwölf gleiche Teile zu je 30 Grad, also in Tierkreiszeichen, urkundlich zum ersten Male in einem astronomischen Beobachtungstext aus dem 5. Jahre des Darius II. (420/19 v. Chr.) bezeugt findet.
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