Im dritten Teil dieses Klassikers behandelt der Altmeister die Deutung des Geburtshoroskops nach klassischer Manier. Ebenso ausgiebig stellt er die Prognose mit den Profektionen, Transiten, Revolutionen und den Progressionen vor. Neben ausführlichen Deutungstexten zeigt er seine Methode wiederum an vielen Beispielen aus seiner Praxis. Mit Anmerkungen und dem Beitrag "Das Leben und Wirken von William Lilly" von Reinhardt Stiehle

KAPITEL 99
Die Korrektur von Geburtshoroskopen mit dem Animodar
Viele Astrologen und besonders die sehr gelehrten wenden bis heute zur Korrektur der ungefähren Geburtszeit die Methode des Animodar (1) an.Nachdem man das Himmelsschema so genau wie möglich anhand der geschätzten Zeit errichtet hat, soll man nach Ptolemäus exakt den Grad des Zeichens betrachten, an dem der letzte Neumond vor der Geburt stand, oder – falls der Geburt ein Vollmond voranging – den Grad des Zeichens, in dem sich dasjenige der Lichter befand, welches über dem Horizont stand. Schauen Sie nach, welcher Planet im Horoskop die meisten Würden hat, nämlich essenzielle Würden in diesem Grad. Falls der Grad, in denen dieser Planet selbst sich befindet, näher beim Grad des Aszendenten liegt als bei dem des Medium Coeli, setzen Sie so viele aufsteigende Grade wie beim Planeten in dem Zeichen, das den Grad des Neumondes bzw. Vollmondes regiert. Ist sein Grad aber näher am Medium Coeli als am Aszendenten, verfahren Sie mit dem Grad des Herrschers des Medium Coeli auf dieselbe Weise. So verändert man seine vorherige Geburtsfigur entsprechend dieser Achsen. Kommt es aber manchmal vor, dass zwei Planeten im zuvor besprochenen Grad die gleichen Würden haben, nimmt man den, der dem Aszendenten am nächsten steht. Obwohl unser Geburtshoroskop durch Ereignisse korrigiert wurde und darum diesen Weg der Korrektur nicht benötigt, werden wir zur Illustration überprüfen, ob die Rektifikation mittels des Animodar übereinstimmt mit den Ergebnissen der Korrektur anhand von Lebensereignissen.Denn die angenommene Geburtszeit, die mir zuerst gegeben wurde, wich von der wahren und korrigierten Zeit weniger als ein Grad beim Aszendenten ab. Um den 15. September 1616, einen Sonntag, gab es vier Tage vor der Geburt eine Opposition des Mondes zur Sonne, also einen Vollmond. Ungefähr um elf Uhr morgens stand die Sonne auf 2°32’ Waage und somit über dem Horizont. Deshalb prüfte ich, welcher Planet in diesem Grad die meisten Würden inne hat. Schaut man in die Tabelle der essenziellen Würden, findet man Saturn in seiner Erhöhung und Triplizität im Zeichen sowie in den Grenzen in dem Grad, auf dem sich die Sonne befindet. So ist er der Hauptherrscher des Vollmondes. Wenn wir nun den Grad untersuchen, auf dem Saturn in unserem Horoskop steht, finden wir diesen auf 9° Stier, was näher im Aszendenten als am Medium Coeli liegt. Der Aszendent bei dieser Korrektur müsste bei 9°2’ Steinbock gewesen sein. Hätten wir aber Venus als Planeten in den besten Würden akzeptiert, wie es manche durchaus vorschlagen würden, könnten wir eine seltsame Übereinstimmung finden. Ich habe diese Art und Weise der Verbesserung eines Horoskops nach der Animodar-Methode nur aufgezeigt. Aber weder die Hermeswaage noch der Animodar beruhen auf solch einer sicheren Grundlage wie die Korrektur mit Hilfe von Ereignissen. Erstellen wir aber die Geburtshoroskope von Kindern, bei denen es noch kaum wichtige Lebensereignisse gibt, verwenden wir den einen oder anderen hier beschriebenen Weg.(1) Animodar oder Animonder: Ausdruck für eine Methode der Korrektur, die sich auf die Stellung des letzten Neumondes oder Vollmondes vor der Geburt bezieht. Sie wird häufig mit der Trutina Hermetis verwechselt. Doch handelt es sich um eine eigene Methode, die erstmals in den Schriften von Ptolemäus beschrieben wird.-
Volker H. Schendel 08.10.2025
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William Lilly zählt zu den prägendsten Gestalten der englischen und europäischen Astrologie und wirkte inmitten der dramatischen Umbrüche des 17. Jahrhunderts, einer Zeit geprägt von Krieg, religiösen Konflikten und kulturellem Wandel. Geboren am 11. Mai 1602 in Diseworth, Leicestershire, wuchs er in bescheidenen ländlichen Verhältnissen auf. Früh empfänglich für die Rhythmen der Natur, erwarb er solide Lateinkenntnisse, die ihm Zugang zu klassischen Autoren wie Ptolemäus verschafften und sein Fundament für späteres astrologisches Arbeiten legten.
1620 zog Lilly nach London, wo er zunächst als Hausdiener des Kaufmanns Gilbert Wright tätig war. Durch die Heirat mit dessen Witwe Jane erlangte er finanzielle Unabhängigkeit und widmete sich ab etwa 1632 intensiv der Astrologie. Sein methodischer Ansatz verband das Studium antiker und mittelalterlicher Autoritäten – etwa Albumasar oder Guido Bonatti – mit systematischer Regelbildung und praktischer Erprobung. Lilly konzentrierte sich bewusst auf alltagsrelevante Fragestellungen, von der Auffindung verlorener Gegenstände bis zu politischen Prognosen, und gewann so Klienten aus allen sozialen Schichten.
Sein Aufstieg fiel in die Zeit der Englischen Bürgerkriege (1642–1651), in denen er die parlamentarische Sache unterstützte und mit scharf formulierten astrologischen Deutungen den Sturz König Karls I. vorhersagte. Sein jährlicher Almanach Merlinus Anglicus verband landwirtschaftliche Ratschläge mit kühnen politischen Voraussagen und erreichte breite Leserschaft, wobei seine exakten Vorhersagen wichtiger Schlachten und Ereignisse sowohl Bewunderung als auch Misstrauen hervorriefen.
Der Höhepunkt seiner Arbeit war 1647 die Veröffentlichung von Christian Astrology, einem nahezu 900-seitigen Werk in drei Bänden, das bis heute als Grundstein der Stundenastrologie im englischen Sprachraum gilt. Der Titel „Christian“ sollte die Kunst gegen den Vorwurf des Heidentums schützen. Die ersten beiden Bände – heute auch auf Deutsch zugänglich – behandeln die Grundlagen von Zeichen, Planeten, Häusern, Aspekten und Würden sowie die detaillierte Erstellung und Deutung von Stundenhoroskopen. Der dritte Band versammelt über hundert Fallstudien aus Lillys Praxis, darunter Geburtshoroskope, medizinische, politische und meteorologische Analysen. Das Werk dient nicht nur als Nachschlagewerk, sondern als strukturiertes Lehrbuch, das angehende Astrologen Schritt für Schritt zur eigenständigen Beurteilung führt. Lilly systematisierte Regeln, korrigierte überlieferte Fehler und setzte das Regiomontanus-Häusersystem ein – als Bewahrer wie auch Neuerer zugleich.
Seine politische Brisanz führte zu mehreren Verhaftungen, etwa 1645 wegen „verräterischer Prophezeiungen“ und 1666 nach dem Großen Brand von London, den man ihm nach Veröffentlichung eines hieroglyphischen Bildes von 1651 zugetraut hatte vorausgesagt zu haben. Zeitgenossen wie John Booker, Nicholas Culpeper und Elias Ashmole prägten gemeinsam mit ihm das intellektuelle Umfeld der Astrologie, während in Europa Gelehrte wie Jean-Baptiste Morin oder Placido Titi konkurrierende Systeme vertraten und naturwissenschaftliche Neuerungen von Johannes Kepler den Rahmen für den fortgesetzten Legitimationskampf boten. Diese Figuren waren nicht nur persönliche Verbündete Lillys, sondern verkörperten die vielschichtige Verschmelzung von Astrologie mit Medizin, Alchemie, Politik und hermetischen Wissenschaften in einem Jahrhundert, das von der Spannung zwischen traditioneller Kosmologie und aufkeimender mechanistischer Wissenschaft geprägt war. Besonders Culpeper und Ashmole, die beide enge Beziehungen zu Lilly pflegten, erweiterten den astrologischen Diskurs durch ihre eigenen innovativen Beiträge und schufen ein Netzwerk, das die Astrologie als lebendige, interdisziplinäre Praxis etablierte. Im Folgenden werden diese Zeitgenossen detailliert beleuchtet, um ihre individuellen Lebenswege, intellektuellen Errungenschaften und spezifischen Verbindungen zu Lilly umfassend darzustellen.
John Booker: Der zuverlässige Kollaborateur und politische Verbündete
John Booker (ca. 1601/1602–1666/1667), geboren in Manchester als Sohn eines Schneiders, gilt als einer der einflussreichsten Astrologen des puritanischen Englands und als enger Vertrauter Lillys. Seine Ausbildung begann er als Kaufmannslehrling in London, wo er sich früh mit mathematischen und astronomischen Studien beschäftigte. Ab den 1630er Jahren widmete er sich vollends der Astrologie, beeinflusst von Werken wie denen von Ptolemaios und den zeitgenössischen Kontinentalen wie Kepler. Booker war bekannt für seine präzisen mathematischen Berechnungen und Vorhersagen, darunter eine berühmte Prognose einer Sonnenfinsternis im 19. Grad des Widderzeichens im Jahr 1663, die er aus den Tabellen des Leovitius ableitete und die ihm rasch Ruhm einbrachte. Sein Stil war weniger spektakulär-politisch als der Lillys, sondern eher akademisch und landwirtschaftlich orientiert; seine Almanache, wie der jährliche "Bloody Irish Almanack", enthielten detaillierte Kalender mit Wettervorhersagen, Saatzeiten und astrologischen Ratschlägen für Bauern, die er mit einer puritanischen Moral durchtränkte.
Bookers Beziehung zu Lilly war von tiefer gegenseitiger Wertschätzung geprägt und erstreckte sich über Jahrzehnte. Beide unterstützten die parlamentarische Sache während des Bürgerkriegs und wurden 1645 gemeinsam nach Carisbrooke Castle auf der Isle of Wight entsandt, um die Moral der belagerten Truppen durch astrologische Beratungen zu stärken – eine Mission, die ihre enge Kooperation unterstreicht. Lilly beschreibt in seiner Autobiografie, wie Booker ihn in den frühen 1630er Jahren in die Londoner astrologische Szene einführte und sie zusammen an der "Mathematical Feast" teilnahmen, einem informellen Treffen von Gelehrten im White Hart in der Old Bailey. Booker war zudem Mentor für jüngere Adepten wie Elias Ashmole, den er 1646 zusammen mit Lilly in die Kunst einweihte. Politisch riskant war ihre Zusammenarbeit an republikanischen Prognosen; Booker teilte Lillys Mutmaßungen über den Untergang Karls I. und prognostizierte ähnlich den Ausgang des Krieges. Nach der Restauration 1660 geriet Booker wie Lilly unter Druck, doch er blieb bis zu seinem Tod 1667 in Hersham aktiv, wo er weiterhin Almanache verfasste. Sein Vermächtnis liegt in der Brücke zwischen mathematischer Astronomie und praktischer Astrologie; er korrigierte Fehler in älteren Ephemeriden und beeinflusste die Standardisierung astrologischer Tabellen in England. Im Vergleich zu Lillys charismatischer Öffentlichkeitswirksamkeit war Booker der stille Organisator, der das intellektuelle Fundament für das londoner Netzwerk der Astrologen schuf und Lillys Werke durch seine eigenen Publikationen ergänzte.
Nicholas Culpeper: Der radikale Kräuterastrologe und republikanische Rebell
Nicholas Culpeper (1616–1654), geboren in Ockley, Surrey, als Sohn eines Geistlichen, verkörperte die radikale, volksnahe Seite der 17.‑Jahrhundert-Astrologie und Medizin, die eng mit Lillys Praxis verflochten war. Seine Kindheit war von Tragödien geprägt: Als Baby erlitt er einen schweren Sturz, der ihn zeitlebens behinderte, und der frühe Tod seines Vaters zwang ihn zu einer Ausbildung als Apotheker und Arzt in Cambridge und London. Culpeper war ein Kind der Puritaner-Revolution; er studierte Theologie, wandte sich aber rasch der Naturheilkunde zu, beeinflusst von Paracelsus' hermetischen Ideen und der galenischen Tradition. Seine Leidenschaft für Astrologie entzündete sich durch eine zufällige Begegnung mit William Lilly in den 1640er Jahren, den er als "den größten Astrologen Englands" verehrte. Lillys Rat an Culpeper lautete: "Du als Apotheker und Physician solltest die Sterne studieren, um die Kräfte der Pflanzen zu verstehen" – ein Ratschlag, der Culpepers ganzes Œuvre prägte. Culpeper sah in der Astrologie den Schlüssel zur europäischen Kräutertradition, da Planeten und Zeichen die Qualitäten von Heilpflanzen bestimmten; Mondphasen diktierten Erntezeiten, und Aspekte beeinflussten die Wirksamkeit von Tinkturen.
Culpepers Beziehung zu Lilly war sowohl intellektuell als auch politisch explosiv. Beide waren Republikaner; 1649 kooperierten sie an "A Prophecy of the White King", einer astrologischen Schrift, die den Tod Karls I. voraussagte und Culpeper als Co-Autor firmierte. Diese Arbeit, verfasst inmitten des Bürgerkriegs, nutzte Lillys horoskopische Techniken, um königliche Schicksale zu deuten, und trug zu Culpepers Verhaftung bei. Culpepers Praxis war praxisnah und zugänglich: Er bot kostenlose Beratungen für Arme an, was ihn zum "Herbalist of the People" machte, und integrierte Astrologie nahtlos in seine Medizin. Sein Meisterwerk, "The English Physitian" (1652, auch bekannt als "Culpeper's Complete Herbal"), ist ein 400-seitiges Kompendium, das über 400 englische Pflanzen beschreibt, sortiert nach astrologischen Herrschern (z. B. Löwenzahn unter dem Zeichen des Löwen) und mit Rezepten für Alltagsleiden. Das Buch war revolutionär, da es lateinische Fachliteratur democratisch übersetzte und astrologische Einflüsse explizit einband – Mond in Krebs für wasserreiche Kräuter, Saturn für kalte und trockene. Kritiker warfen ihm vor, die Astrologie untergrabe die Nützlichkeit, doch Culpeper argumentierte, sie mache die Medizin präziser. Weitere Werke wie "A Physical Directory" (1649) und "Pharmacopoeia Londinensis" (1654) erweiterten dies auf pharmazeutische Kritik; er attackierte die monopolistische College of Physicians als "katholisch-korrupt" und plädierte für eine puritanische, astrologisch fundierte Volksmedizin.
Culpepers Leben war kurz und turbulent: Er kämpfte 1643 in der Schlacht von Edgehill, wo eine Kugel ihn nur knapp verfehlte, und starb mit 38 an Tuberkulose, verarmt und verfolgt. Dennoch beeinflusste er Generationen; sein Erbe lebt in der modernen Kräuterheilkunde fort, wo astrologische Erntezeiten noch heute gepflegt werden. Im Kontext Lillys war Culpeper der Brückenbauer zur Medizin: Während Lillys Fokus auf Horoskopen lag, zeigte Culpeper, wie Astrologie das tägliche Heilen transformiert – eine Synthese, die das intellektuelle Umfeld der Zeit bereicherte und Lillys Einfluss auf breitere Schichten ausdehnte. Ihre Freundschaft, geprägt von gegenseitigem Respekt (Culpeper nannte Lilly seinen "Lehrmeister"), unterstrich die politische Radikalität der Astrologie als Werkzeug gegen monarchische Tyrannei.
Elias Ashmole: Der hermetische Sammler und biografische Erben
Elias Ashmole (1617–1692), geboren in Lichfield als Sohn eines Sattlers, war eine der vielseitigsten Figuren des 17. Jahrhunderts – Antiquar, Alchemist, Freimaurer, Heraldiker und Astrologe –, dessen Leben eng mit Lillys verwoben war und der hermetische Traditionen in die Astrologie einbrachte. Ashmoles Ausbildung führte ihn von der Kunstakademie in London über eine Anwaltskarriere zur Heraldik; 1646 heiratete er Eleanor Raynolds, deren astrologisches Horoskop er mit Hilfe von Lilly und Booker berechnete – ein Ereignis, das seine Leidenschaft für die Sterne entfachte. Lilly und Booker, "die besten Astrologen der Welt", initiierten ihn in die Bruderschaft, und Ashmole wurde rasch zu einem engen Vertrauten Lillys. Ihre Freundschaft dauerte Jahrzehnte; Ashmole veröffentlichte Übersetzungen in Lillys "The World's Catastrophe" (1647), das europäische Katastrophen prognostizierte, und erhielt 1652 ein Porträt von Lilly, das seine "natürliche Disposition" illustrierte. Politisch navigierte Ashmole geschickt: Während des Bürgerkriegs unterstützte er die Parlamentarier, wechselte aber 1660 zur Restauration und wurde Windsor Herald.
Ashmoles astrologische Praxis war hermetisch geprägt, beeinflusst von Corpus Hermeticum und Paracelsus; er sah Astrologie als Teil einer universellen Magia naturalis, die Alchemie und Kabbala verband. Sein "Fasciculus Chemicus" (1650) integriert astrologische Timing in alchemistische Prozesse, und er sammelte Manuskripte zu natürlicher Magie, darunter Lillys Notizen. Der Höhepunkt seiner Beziehung zu Lilly war die Bearbeitung und Veröffentlichung von "Mr. William Lilly's History of His Life and Times" (1715, postum), einer Autobiografie, die Ashmole mit Anmerkungen und Ergänzungen bereicherte. Dieses Werk, geschrieben 1665–1668 auf Ashmoles Drängen, enthüllt Lillys Leben detailliert und unterstreicht ihre gemeinsame Weltanschauung: Astrologie als freie Wahl ("They do not compel"), nicht als Determinismus. Ashmole kommentierte Lillys Horoskope, korrigierte Daten und fügte Beobachtungen zu Ereignissen wie dem Großen Brand hinzu, den beide vorausgesehen hatten.
Ashmoles Vermächtnis ist institutionell: Als Gründer des Ashmolean Museums (1683) in Oxford etablierte er den ersten öffentlichen Lehrsammlungenraum, gefüllt mit astrologischen Artefakten, Alchemie-Texten und hermetischen Reliquien – darunter möglicherweise Lillys Manuskripte. Er war Freimaurer (erwähnt als einer der ersten in England 1646) und verband Astrologie mit esoterischen Riten. Bis zu seinem Tod 1692 blieb er aktiv; sein Horoskop, das Lilly 1617 berechnet hatte, prognostizierte Langlebigkeit und Erfolg. Im Vergleich zu Lillys populärer Astrologie war Ashmole der Sammler und Bewahrer: Er erweiterte das Feld durch Hermetik, machte Astrologie salonfähig unter der Restauration und sicherte Lillys Erbe durch seine Biografie. Ihre Partnerschaft symbolisiert den Übergang von der revolutionären zu einer etablierten, wissenschaftlich getarnten Esoterik, inmitten des Aufstiegs der Royal Society.
Mit der Restauration der Monarchie 1660 und der Gründung der Royal Society setzte sich zunehmend ein wissenschaftlich-mechanisches Weltbild durch, das Astrologie aus dem gelehrten Diskurs verdrängte. Als Lilly 1681 in Hersham, Surrey starb, war sie auf populäre Almanache und Volkspraktiken zurückgedrängt. Dennoch blieb sein Vermächtnis bestehen: Christian Astrology blieb bis ins 18. und 19. Jahrhundert das Standardwerk der Stundenastrologie, und seine Almanache prägten die englische Praxis über Jahrzehnte. Lillys Werk zeigt die enge Verflechtung von astrologischer Theorie, praktischer Lebenshilfe und politischer Stellungnahme im frühneuzeitlichen England – eine Zeit, in der kosmische Ordnung und irdisches Chaos als untrennbar betrachtet wurden. Durch die Beiträge seiner Zeitgenossen wie Booker, Culpeper und Ashmole wird dieses Netzwerk zu einem lebendigen Mosaik, das die Resilienz der Astrologie in einer veränderlichen Welt unterstreicht. Astrologie und wirkte inmitten der dramatischen Umbrüche des 17. Jahrhunderts, einer Zeit geprägt von Krieg, religiösen Konflikten und kulturellem Wandel. Geboren am 11. Mai 1602 in Diseworth, Leicestershire, wuchs er in bescheidenen ländlichen Verhältnissen auf. Früh empfänglich für die Rhythmen der Natur, erwarb er solide Lateinkenntnisse, die ihm Zugang zu klassischen Autoren wie Ptolemäus verschafften und sein Fundament für späteres astrologisches Arbeiten legten.
1620 zog Lilly nach London, wo er zunächst als Hausdiener des Kaufmanns Gilbert Wright tätig war. Durch die Heirat mit dessen Witwe Jane erlangte er finanzielle Unabhängigkeit und widmete sich ab etwa 1632 intensiv der Astrologie. Sein methodischer Ansatz verband das Studium antiker und mittelalterlicher Autoritäten – etwa Albumasar oder Guido Bonatti – mit systematischer Regelbildung und praktischer Erprobung. Lilly konzentrierte sich bewusst auf alltagsrelevante Fragestellungen, von der Auffindung verlorener Gegenstände bis zu politischen Prognosen, und gewann so Klienten aus allen sozialen Schichten.
Sein Aufstieg fiel in die Zeit der Englischen Bürgerkriege (1642–1651), in denen er die parlamentarische Sache unterstützte und mit scharf formulierten astrologischen Deutungen den Sturz König Karls I. vorhersagte. Sein jährlicher Almanach Merlinus Anglicus verband landwirtschaftliche Ratschläge mit kühnen politischen Voraussagen und erreichte breite Leserschaft, wobei seine exakten Vorhersagen wichtiger Schlachten und Ereignisse sowohl Bewunderung als auch Misstrauen hervorriefen.
Der Höhepunkt seiner Arbeit war 1647 die Veröffentlichung von Christian Astrology, einem nahezu 900-seitigen Werk in drei Bänden, das bis heute als Grundstein der Stundenastrologie im englischen Sprachraum gilt. Der Titel „Christian“ sollte die Kunst gegen den Vorwurf des Heidentums schützen. Die ersten beiden Bände – heute auch auf Deutsch zugänglich – behandeln die Grundlagen von Zeichen, Planeten, Häusern, Aspekten und Würden sowie die detaillierte Erstellung und Deutung von Stundenhoroskopen. Der dritte Band versammelt über hundert Fallstudien aus Lillys Praxis, darunter Geburtshoroskope, medizinische, politische und meteorologische Analysen. Das Werk dient nicht nur als Nachschlagewerk, sondern als strukturiertes Lehrbuch, das angehende Astrologen Schritt für Schritt zur eigenständigen Beurteilung führt. Lilly systematisierte Regeln, korrigierte überlieferte Fehler und setzte das Regiomontanus-Häusersystem ein – als Bewahrer wie auch Neuerer zugleich.
Seine politische Brisanz führte zu mehreren Verhaftungen, etwa 1645 wegen „verräterischer Prophezeiungen“ und 1666 nach dem Großen Brand von London, den man ihm nach Veröffentlichung eines hieroglyphischen Bildes von 1651 zugetraut hatte vorausgesagt zu haben. Zeitgenossen wie John Booker, Nicholas Culpeper und Elias Ashmole prägten gemeinsam mit ihm das intellektuelle Umfeld der Astrologie, während in Europa Gelehrte wie Jean-Baptiste Morin oder Placido Titi konkurrierende Systeme vertraten und naturwissenschaftliche Neuerungen von Johannes Kepler den Rahmen für den fortgesetzten Legitimationskampf boten. Diese Figuren waren nicht nur persönliche Verbündete Lillys, sondern verkörperten die vielschichtige Verschmelzung von Astrologie mit Medizin, Alchemie, Politik und hermetischen Wissenschaften in einem Jahrhundert, das von der Spannung zwischen traditioneller Kosmologie und aufkeimender mechanistischer Wissenschaft geprägt war. Besonders Culpeper und Ashmole, die beide enge Beziehungen zu Lilly pflegten, erweiterten den astrologischen Diskurs durch ihre eigenen innovativen Beiträge und schufen ein Netzwerk, das die Astrologie als lebendige, interdisziplinäre Praxis etablierte. Im Folgenden werden diese Zeitgenossen detailliert beleuchtet, um ihre individuellen Lebenswege, intellektuellen Errungenschaften und spezifischen Verbindungen zu Lilly umfassend darzustellen.
John Booker: Der zuverlässige Kollaborateur und politische Verbündete
John Booker (ca. 1601/1602–1666/1667), geboren in Manchester als Sohn eines Schneiders, gilt als einer der einflussreichsten Astrologen des puritanischen Englands und als enger Vertrauter Lillys. Seine Ausbildung begann er als Kaufmannslehrling in London, wo er sich früh mit mathematischen und astronomischen Studien beschäftigte. Ab den 1630er Jahren widmete er sich vollends der Astrologie, beeinflusst von Werken wie denen von Ptolemaios und den zeitgenössischen Kontinentalen wie Kepler. Booker war bekannt für seine präzisen mathematischen Berechnungen und Vorhersagen, darunter eine berühmte Prognose einer Sonnenfinsternis im 19. Grad des Widderzeichens im Jahr 1663, die er aus den Tabellen des Leovitius ableitete und die ihm rasch Ruhm einbrachte. Sein Stil war weniger spektakulär-politisch als der Lillys, sondern eher akademisch und landwirtschaftlich orientiert; seine Almanache, wie der jährliche "Bloody Irish Almanack", enthielten detaillierte Kalender mit Wettervorhersagen, Saatzeiten und astrologischen Ratschlägen für Bauern, die er mit einer puritanischen Moral durchtränkte.
Bookers Beziehung zu Lilly war von tiefer gegenseitiger Wertschätzung geprägt und erstreckte sich über Jahrzehnte. Beide unterstützten die parlamentarische Sache während des Bürgerkriegs und wurden 1645 gemeinsam nach Carisbrooke Castle auf der Isle of Wight entsandt, um die Moral der belagerten Truppen durch astrologische Beratungen zu stärken – eine Mission, die ihre enge Kooperation unterstreicht. Lilly beschreibt in seiner Autobiografie, wie Booker ihn in den frühen 1630er Jahren in die Londoner astrologische Szene einführte und sie zusammen an der "Mathematical Feast" teilnahmen, einem informellen Treffen von Gelehrten im White Hart in der Old Bailey. Booker war zudem Mentor für jüngere Adepten wie Elias Ashmole, den er 1646 zusammen mit Lilly in die Kunst einweihte. Politisch riskant war ihre Zusammenarbeit an republikanischen Prognosen; Booker teilte Lillys Mutmaßungen über den Untergang Karls I. und prognostizierte ähnlich den Ausgang des Krieges. Nach der Restauration 1660 geriet Booker wie Lilly unter Druck, doch er blieb bis zu seinem Tod 1667 in Hersham aktiv, wo er weiterhin Almanache verfasste. Sein Vermächtnis liegt in der Brücke zwischen mathematischer Astronomie und praktischer Astrologie; er korrigierte Fehler in älteren Ephemeriden und beeinflusste die Standardisierung astrologischer Tabellen in England. Im Vergleich zu Lillys charismatischer Öffentlichkeitswirksamkeit war Booker der stille Organisator, der das intellektuelle Fundament für das londoner Netzwerk der Astrologen schuf und Lillys Werke durch seine eigenen Publikationen ergänzte.
Nicholas Culpeper: Der radikale Kräuterastrologe und republikanische Rebell
Nicholas Culpeper (1616–1654), geboren in Ockley, Surrey, als Sohn eines Geistlichen, verkörperte die radikale, volksnahe Seite der 17.‑Jahrhundert-Astrologie und Medizin, die eng mit Lillys Praxis verflochten war. Seine Kindheit war von Tragödien geprägt: Als Baby erlitt er einen schweren Sturz, der ihn zeitlebens behinderte, und der frühe Tod seines Vaters zwang ihn zu einer Ausbildung als Apotheker und Arzt in Cambridge und London. Culpeper war ein Kind der Puritaner-Revolution; er studierte Theologie, wandte sich aber rasch der Naturheilkunde zu, beeinflusst von Paracelsus' hermetischen Ideen und der galenischen Tradition. Seine Leidenschaft für Astrologie entzündete sich durch eine zufällige Begegnung mit William Lilly in den 1640er Jahren, den er als "den größten Astrologen Englands" verehrte. Lillys Rat an Culpeper lautete: "Du als Apotheker und Physician solltest die Sterne studieren, um die Kräfte der Pflanzen zu verstehen" – ein Ratschlag, der Culpepers ganzes Œuvre prägte. Culpeper sah in der Astrologie den Schlüssel zur europäischen Kräutertradition, da Planeten und Zeichen die Qualitäten von Heilpflanzen bestimmten; Mondphasen diktierten Erntezeiten, und Aspekte beeinflussten die Wirksamkeit von Tinkturen.
Culpepers Beziehung zu Lilly war sowohl intellektuell als auch politisch explosiv. Beide waren Republikaner; 1649 kooperierten sie an "A Prophecy of the White King", einer astrologischen Schrift, die den Tod Karls I. voraussagte und Culpeper als Co-Autor firmierte. Diese Arbeit, verfasst inmitten des Bürgerkriegs, nutzte Lillys horoskopische Techniken, um königliche Schicksale zu deuten, und trug zu Culpepers Verhaftung bei. Culpepers Praxis war praxisnah und zugänglich: Er bot kostenlose Beratungen für Arme an, was ihn zum "Herbalist of the People" machte, und integrierte Astrologie nahtlos in seine Medizin. Sein Meisterwerk, "The English Physitian" (1652, auch bekannt als "Culpeper's Complete Herbal"), ist ein 400-seitiges Kompendium, das über 400 englische Pflanzen beschreibt, sortiert nach astrologischen Herrschern (z. B. Löwenzahn unter dem Zeichen des Löwen) und mit Rezepten für Alltagsleiden. Das Buch war revolutionär, da es lateinische Fachliteratur democratisch übersetzte und astrologische Einflüsse explizit einband – Mond in Krebs für wasserreiche Kräuter, Saturn für kalte und trockene. Kritiker warfen ihm vor, die Astrologie untergrabe die Nützlichkeit, doch Culpeper argumentierte, sie mache die Medizin präziser. Weitere Werke wie "A Physical Directory" (1649) und "Pharmacopoeia Londinensis" (1654) erweiterten dies auf pharmazeutische Kritik; er attackierte die monopolistische College of Physicians als "katholisch-korrupt" und plädierte für eine puritanische, astrologisch fundierte Volksmedizin.
Culpepers Leben war kurz und turbulent: Er kämpfte 1643 in der Schlacht von Edgehill, wo eine Kugel ihn nur knapp verfehlte, und starb mit 38 an Tuberkulose, verarmt und verfolgt. Dennoch beeinflusste er Generationen; sein Erbe lebt in der modernen Kräuterheilkunde fort, wo astrologische Erntezeiten noch heute gepflegt werden. Im Kontext Lillys war Culpeper der Brückenbauer zur Medizin: Während Lillys Fokus auf Horoskopen lag, zeigte Culpeper, wie Astrologie das tägliche Heilen transformiert – eine Synthese, die das intellektuelle Umfeld der Zeit bereicherte und Lillys Einfluss auf breitere Schichten ausdehnte. Ihre Freundschaft, geprägt von gegenseitigem Respekt (Culpeper nannte Lilly seinen "Lehrmeister"), unterstrich die politische Radikalität der Astrologie als Werkzeug gegen monarchische Tyrannei.
Elias Ashmole: Der hermetische Sammler und biografische Erben
Elias Ashmole (1617–1692), geboren in Lichfield als Sohn eines Sattlers, war eine der vielseitigsten Figuren des 17. Jahrhunderts – Antiquar, Alchemist, Freimaurer, Heraldiker und Astrologe –, dessen Leben eng mit Lillys verwoben war und der hermetische Traditionen in die Astrologie einbrachte. Ashmoles Ausbildung führte ihn von der Kunstakademie in London über eine Anwaltskarriere zur Heraldik; 1646 heiratete er Eleanor Raynolds, deren astrologisches Horoskop er mit Hilfe von Lilly und Booker berechnete – ein Ereignis, das seine Leidenschaft für die Sterne entfachte. Lilly und Booker, "die besten Astrologen der Welt", initiierten ihn in die Bruderschaft, und Ashmole wurde rasch zu einem engen Vertrauten Lillys. Ihre Freundschaft dauerte Jahrzehnte; Ashmole veröffentlichte Übersetzungen in Lillys "The World's Catastrophe" (1647), das europäische Katastrophen prognostizierte, und erhielt 1652 ein Porträt von Lilly, das seine "natürliche Disposition" illustrierte. Politisch navigierte Ashmole geschickt: Während des Bürgerkriegs unterstützte er die Parlamentarier, wechselte aber 1660 zur Restauration und wurde Windsor Herald.
Ashmoles astrologische Praxis war hermetisch geprägt, beeinflusst von Corpus Hermeticum und Paracelsus; er sah Astrologie als Teil einer universellen Magia naturalis, die Alchemie und Kabbala verband. Sein "Fasciculus Chemicus" (1650) integriert astrologische Timing in alchemistische Prozesse, und er sammelte Manuskripte zu natürlicher Magie, darunter Lillys Notizen. Der Höhepunkt seiner Beziehung zu Lilly war die Bearbeitung und Veröffentlichung von "Mr. William Lilly's History of His Life and Times" (1715, postum), einer Autobiografie, die Ashmole mit Anmerkungen und Ergänzungen bereicherte. Dieses Werk, geschrieben 1665–1668 auf Ashmoles Drängen, enthüllt Lillys Leben detailliert und unterstreicht ihre gemeinsame Weltanschauung: Astrologie als freie Wahl ("They do not compel"), nicht als Determinismus. Ashmole kommentierte Lillys Horoskope, korrigierte Daten und fügte Beobachtungen zu Ereignissen wie dem Großen Brand hinzu, den beide vorausgesehen hatten.
Ashmoles Vermächtnis ist institutionell: Als Gründer des Ashmolean Museums (1683) in Oxford etablierte er den ersten öffentlichen Lehrsammlungenraum, gefüllt mit astrologischen Artefakten, Alchemie-Texten und hermetischen Reliquien – darunter möglicherweise Lillys Manuskripte. Er war Freimaurer (erwähnt als einer der ersten in England 1646) und verband Astrologie mit esoterischen Riten. Bis zu seinem Tod 1692 blieb er aktiv; sein Horoskop, das Lilly 1617 berechnet hatte, prognostizierte Langlebigkeit und Erfolg. Im Vergleich zu Lillys populärer Astrologie war Ashmole der Sammler und Bewahrer: Er erweiterte das Feld durch Hermetik, machte Astrologie salonfähig unter der Restauration und sicherte Lillys Erbe durch seine Biografie. Ihre Partnerschaft symbolisiert den Übergang von der revolutionären zu einer etablierten, wissenschaftlich getarnten Esoterik, inmitten des Aufstiegs der Royal Society.
Mit der Restauration der Monarchie 1660 und der Gründung der Royal Society setzte sich zunehmend ein wissenschaftlich-mechanisches Weltbild durch, das Astrologie aus dem gelehrten Diskurs verdrängte. Als Lilly 1681 in Hersham, Surrey starb, war sie auf populäre Almanache und Volkspraktiken zurückgedrängt. Dennoch blieb sein Vermächtnis bestehen: Christian Astrology blieb bis ins 18. und 19. Jahrhundert das Standardwerk der Stundenastrologie, und seine Almanache prägten die englische Praxis über Jahrzehnte. Lillys Werk zeigt die enge Verflechtung von astrologischer Theorie, praktischer Lebenshilfe und politischer Stellungnahme im frühneuzeitlichen England – eine Zeit, in der kosmische Ordnung und irdisches Chaos als untrennbar betrachtet wurden. Durch die Beiträge seiner Zeitgenossen wie Booker, Culpeper und Ashmole wird dieses Netzwerk zu einem lebendigen Mosaik, das die Resilienz der Astrologie in einer veränderlichen Welt unterstreicht.
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