Michael Roscher (1960 - 2005) studierte Wissenschaftstheorie, Psychologie, Philosophie und Medizin. Er war als Schriftsteller, Lehrer und über mehr als 20 Jahren als praktizierender Astrologe tätig. 1986 gründete er die Schule für Transpersonale Astrologie. Er ist am 6. August 2005 in Köln überraschend gestorben.

Was sind Aspekte?

Unter Aspekten versteht man in der Astrologie bestimmte Winkelverhältnisse, die Planeten untereinander sowie zu Hausspitzen bilden. Das lateinische Wort aspectare heißt »sich anblicken«. Für die Astrologie bedeutet dies, dass die Perspektive, der Blickwinkel zweier oder mehrerer Planeten zueinander eine eigenständige Bedeutung hat Wenn also zum Beispiel Mars und Pluto 90 Grad voneinander entfernt stehen, haben sie nach dieser Theorie eine andere Qualität, als wenn sie 120 Grad voneinander entfernt sind. Obwohl eigentlich jede Distanz zwischen zwei Planeten aussagekräftig sein müsste, berücksichtigt man in der Praxis traditionell nur einige wenige Aspekte. Ihnen wird eine herausragende »Wirkung« zugeschrieben. Diese Aspekte sind die Konjunktion (0 Grad), die Opposition (180 Grad), das Trigon (120 Grad), das Quadrat (90 Grad) und das Sextil (60 Grad). Gemäß der astrologischen Überlieferung gehören hier eigentlich auch noch der Parallelschein (gleich weite Entfernung zweier Planeten vom Äquator) und die Antiszien (gleich weite Entfernung zweier Planeten von 0 Grad Krebs) hinzu. Die beiden letztgenannten Aspekte sind seit einigen Jahrzehnten in der westlichen Welt ein wenig aus der Mode gekommen. Es wäre töricht, daraus Schlüsse über den Wert oder Unwert dieser Winkelbeziehungen zu ziehen.
 
Neben den allgemein bekannten und anerkannten Grundaspekten gibt es eine Vielzahl weiterer Aspekte, über welche die Ansichten sehr weit auseinandergehen: Während sie die einen für äußerst wichtig halten, bleiben sie von anderen völlig unbeachtet. In der Transpersonalen Astrologie trifft dies zum Beispiel auf das Bilin (75 Grad) zu: ein nahezu unbekannter Aspekt, über den sich in der gesamten astrologischen Literatur nur wenige Zeilen finden. Ich bin allerdings der Ansicht, dass es sich hier um einen wichtigen Aspekt handelt, der in seiner Qualität dem Quadrat nahesteht.
 
Grundsätzlich begehen die meisten den Fehler, Aspekte wichtiger zu nehmen, als sie eigentlich sind. Zwar sind sie für eine umfassende Deutung unverzichtbar, bilden aber lediglich eines der abschließenden Glieder einer Kette von Deutungselementen, die es zu berücksichtigen gilt. Diese Einlassung mag zu Beginn eines Buches, das sich ausschließlich mit Aspekten beschäftigt, vielleicht ein wenig seltsam anmuten. Dennoch ist es eine Tatsache, dass ein einzelner Aspekt nicht annähernd die Aussagefähigkeit hat, die die meisten Astrologiefreunde ihm unterstellen wollen.
 
Einige von ihnen sind regelrechte Generationskonstellationen, die Jahre oder Jahrzehnte andauern können. Zudem sind Aspekte unabhängig vom Ort, das heißt, alle Menschen, die an einem bestimmten Tag zur Welt kamen, haben ohne Ausnahme die gleichen Aspekte im Horoskop. Dass hier ohne Einbeziehung der Häuser und Häuserherrscher über das Individuum nichts mehr ausgesagt werden kann, müsste eigentlich einleuchten. Bedauerlicherweise ist jedoch gerade der kulturelle Bereich, dem erklärtermaßen die Entwicklung des menschlichen Bewusstseins besonders am Herzen liegt, nämlich die Esoterik, erstaunlich resistent gegen Einsichten des gesunden Menschenverstandes. Die besten Argumente nützen hier wenig, wie ich aus langjähriger Erfahrung als Seminarleiter und Buchautor weiß. So soll denn jeder den verschiedenen Horoskopfaktoren den Stellenwert geben, der ihm angemessen erscheint Wer sich für die Gewichtung nach der Methode des Autors interessiert, kann dies in einer Reihe von Büchern nach- lesen. Der Grund für die Überbewertung der Aspekte liegt wahrscheinlich darin, dass sie so leicht aufzufinden sind: Zumindest die Hauptaspekte können schon nach kurzer Übung mit einem Blick erkannt werden, während andere Deutungselemente weit schwieriger zu erarbeiten sind.